Das Jugendstrafrecht unterscheidet sich vom regulären Strafrecht insbesondere dadurch, dass der Erziehungsgedanke eine zentrale Rolle spielt – festgeschrieben etwa in den §§ 2, 12, 18 und 35 Jugendgerichtsgesetz (JGG). Dieser Gedanke beeinflusst auch maßgeblich das Jugendstrafverfahren, das bei Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren angewendet wird und auch bei Heranwachsenden bis 21 Jahren zur Anwendung kommen kann. Als erfahrene Rechtsanwälte für Jugendstrafrecht in Köln informieren wir Sie hier kurz und übersichtlich dazu, wie ein solches Verfahren abläuft.
Das Wichtigste in Kürze
- Die meisten Jugendstrafverfahren enden mit einer der verschiedenen Möglichkeiten zur Verfahrenseinstellung.
- Eine Einstellung gegen Auflagen ist vor und während der Hauptverhandlung möglich.
- Die Jugendgerichtshilfe spielt eine wichtige Rolle bei der Beratung und Betreuung sowie für die Entscheidung des Jugendrichters.
Die Beteiligten und ihre Rollen im Jugendstrafverfahren
Im Mittelpunkt des Jugendstrafverfahrens steht der oder die junge Beschuldigte beziehungsweise Angeklagte. Darüber hinaus haben auch seine bzw. ihre Eltern oder Erziehungsberechtigten im Verfahren mehr oder weniger die gleichen Rechte, hierzu zählen Anwesenheits-, Anhörungs-, Frage- und Antragsrechte. So soll es ihnen möglich sein, auch im Verfahren ihrer Schutzfunktion nachzukommen. Die Jugendgerichtshilfe unterstützt die Ermittlungen, indem sie im Rahmen der Ermittlungshilfe biographische Informationen zum bzw. zur Beschuldigten sammelt. Die Jugendgerichtshilfe spielt in Jugendstrafverfahren eine sehr wichtige Rolle. Dies zeigt sich daran, dass Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte in der Regel auf ihre fachliche Kompetenz vertrauen und ihrer Empfehlung folgen, wenn sie beispielsweise eine Diversionsmaßnahme statt einer Jugendstrafe vorschlagen.
Der Jugendrichter bzw. die Jugendrichterin ist eine weitere wichtige Person im Jugendstrafverfahren und sollte sich idealerweise durch Erfahrung in Jugenderziehung auszeichnen, da er oder sie mit seiner bzw. ihrer Entscheidung eine besondere Verantwortung für die Entwicklung junger (etwaiger) Straftäter und Straftäterinnen trägt. Kompetenz im Strafrecht allein reicht hier nicht aus – es muss der oft schwierige Spagat zwischen Pädagogik und Strafe gemeistert werden. Da dies in der Praxis nicht immer gegeben ist, ist die fachlich erfahrene Verteidigung des oder der Angeklagten umso wichtiger. Im Jugendstrafverfahren erfüllt der Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin die unverzichtbare Aufgabe, mit der eigenen Erfahrung im Jugendstrafrecht für einen fairen Prozess zu sorgen und etwaige langfristige Folgen, wie Einträge im Erziehungsregister, möglichst zu vermeiden.
Typische Verfahrensschritte und deren Ablauf
Grundsätzlich folgt ein Jugendstrafverfahren, wie jedes Gerichtsverfahren, den Regeln der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes. Es beginnt auch üblicherweise mit einem Anfangsverdacht durch die Polizei, auf den ein Ermittlungsverfahren durch die Polizei und die Jugendstaatsanwaltschaft folgt. Das Ermittlungsverfahren leitet der Jugendstaatsanwalt bzw. -anwältin. In diesem Rahmen findet oft auch eine Vernehmung des oder der Beschuldigten statt – allerdings mit dem Unterschied, dass hier neben der Aufklärung der Tat auch eine Persönlichkeitserforschung gemäß § 43 JGG stattfindet. Darüber hinaus werden bei Ermittlungen zu Jugendlichen auch relevante Institutionen benachrichtigt.
Eine wichtige Rolle für den weiteren Verlauf des Verfahrens spielt die Einschätzung der Jugendgerichtshilfe. Abhängig von den Ermittlungsergebnissen entscheidet die Jugendstaatsanwaltschaft dann, das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen oder nach § 170 Abs. 1 StPO Anklage zu erheben. Alternativ kann im Jugendstrafrecht an dieser Stelle eine Diversion eingeleitet werden. Dies ist allerdings auch später im Verfahren noch möglich. Mit Diversion ist eine Verfahrenseinstellung gegen bestimmte Auflagen oder pädagogisch gemeinte Weisungen, wie Arbeitsleistungen, gemeint.
Kommt es zur Anklageerhebung, findet das Hauptverfahren vor dem Jugendgericht statt. Hier wird in der Hauptverhandlung ein Bericht durch die Jugendgerichtshilfe abgegeben, außerdem werden Beweise erhoben und Plädoyers vorgetragen. Bei geringfügigen Vergehen kann die Staatsanwaltschaft gemäß §§ 76–78 JGG ein vereinfachtes Jugendverfahren beantragen. Schließlich kommt es, oft nach einigen Wochen, zur Urteilsverkündung durch den Jugendrichter oder die Jugendrichterin. Dagegen können wiederum Rechtsmittel eingelegt werden.
Mögliche Verfahrensausgänge und deren Folgen
Aus Sicht des oder der Beschuldigten endet das Jugendstrafverfahren idealerweise mit einer Einstellung, bevor die Anklage erhoben wird. Hierbei gibt es allerdings Unterschiede, die jeweils eigene Vor- und Nachteile haben:
- Nach §170 Abs. 2 StPO wird ein Strafverfahren eingestellt, wenn kein hinreichender Tatverdacht vorliegt. Dies ist außerdem aus Gründen der Geringfügigkeit möglich.
- Das Strafverfahren im Jugendstrafrecht kann darüber hinaus nach §§ 45 und 47 JGG auch bei Verbrechen eingestellt werden. Eine Verfahrenseinstellung nach JGG wird allerdings ins Erziehungsregister eingetragen.
Im Hauptverfahren selbst gibt es mehrere Möglichkeiten zur Einstellung:
- Der Staatsanwalt oder die Staatsanwältin kann eine ambulante jugendrichterliche Maßnahme als formloses Erziehungsverfahren anregen, dies ist in § 45 Abs. 3 JGG geregelt. Als solche Maßnahmen kommen, je nach Schwere der Tat, Ermahnungen, aber auch Weisungen, wie etwa Arbeitsleistungen, oder Auflagen, wie Schadenswiedergutmachung oder Entschuldigung, in Frage. Hierfür ist allerdings ein Geständnis erforderlich.
- Der Jugendrichter kann das Verfahren gemäß § 47 Abs. 2 JGG einstellen, wenn erzieherische Maßnahmen bereits eingeleitet oder durchgeführt sind oder er nach § 47 Abs. 3 JGG selbst eine Maßnahme anordnet. Eine solche Einstellung erfolgt häufig vorläufig für sechs Monate, um sicherzustellen, dass Weisungen befolgt werden.
Das Ziel der Verteidigung ist üblicherweise, das Verfahren zu beenden, bevor es zu einer Bestrafung, wie dem Jugendarrest, kommt. Tatsächlich fällt nur in einem Drittel aller Verfahren ein Urteil, in den weitaus meisten Fällen werden die anderen, speziell jugendstrafrechtlichen, Möglichkeiten genutzt. Vor dem Hintergrund, dass Jugendarrest und Jugendstrafe ohne Bewährung mit einer wesentlich höheren Rückfallquote verbunden werden als Diversionsmaßnahmen, erscheint dies auch sinnvoll und sollte durch die Verteidigung angestrebt werden.
Besonderheiten und Herausforderungen im Jugendstrafverfahren
Wie bei der Betrachtung des Jugendstrafverfahrens deutlich wird, steht hier nicht die Bestrafung im Mittelpunkt. Dies bekräftigt auch eine Entscheidung des BVerfG von 2006, welche die besondere Situation junger Menschen betont. Eine Herausforderung für Verteidiger und Verteidigerinnen im Jugendstrafverfahren ist, hier im besten Interesse des oder der Jugendlichen zu handeln: In Bezug auf die Unschuldsvermutung oder die Notwendigkeit eines Geständnisses bietet die Strafprozessordnung mitunter günstigere Bedingungen als das Jugendstrafrecht. Außerdem führt bei Bagatelldelikten der Erziehungsgedanke manchmal zu strengeren Konsequenzen für den Angeklagten oder die Angeklagte als im regulären Strafrecht. Darüber hinaus ist darauf zu achten, dass die Verantwortung der Eltern oder Erziehungsberechtigten für die Erziehung des oder der Jugendlichen berücksichtigt wird. Aus diesen Gründen ist die Beratung und Vertretung durch einen im Jugendstrafrecht erfahrenen Rechtsanwalt bzw. -anwältin sinnvoll – kontaktieren Sie uns gerne!